Newsletter 8.11.2019


Drehpunkt Leben
2018-11-Hände
„Wieviel Nähe tut mir gut? Welcher Abstand wäre besser?“
Es gibt viel Interesse an diesen Fragen, auch wenn sie manchmal nicht in diesem Wortlaut gestellt werden.
So hatte ich in den letzten Tagen einen 2-stündigen Workshop mit den Vertretern eines Betriebsrates, die sich um Behinderte im Betrieb kümmern. Diese „Beauftragten“ sind oft schwierigen emotionalen Situationen ausgesetzt und berichteten von Problemen mit der eigenen Abgrenzung. Wann ist man zu nahe dran? Wann zu weit weg?
Da ist die Kollegin, die immer wieder anruft; die Angst hat, den Arbeitsplatz zu verlieren und die in keinem halt-gebenden häuslichen Umfeld wohnt. Sie hat immer wieder die gleichen Fragen und erzählt, wie es ihr geht, dass sie mit der Unsicherheit nicht fertig wird, nicht genau zu wissen, wie es weitergeht. Vielleicht ein Weinen ins Telefon, das bleibt nicht ohne Wirkung auf denjenigen der zuhört.
Leicht strömt das Leiden über auf die andere Seite des Telefons, trifft auf den Zuhörenden. Trifft auf den Kollegen, der helfen möchte, den die geschilderte Situation tief bewegt und der doch nicht tun kann, was er vielleicht möchte, den alle möglichen Einschränkungen behindern, seien es die gesetzten Regeln, nicht genügend vorhandene Mittel oder einfach zur Verfügung stehende Zeit. Ein Kollege, dem die Wiederholung des Erzählten so langsam auf die Nerven gehen und eigentlich irgendwann nicht mehr hören möchte.
Natürlich kann er sich abstumpfen, die Anruferin zum „Fall 17“ werden lassen und sich so zu schützen und zu wappnen und in der Lage zu sein, die Anrufende abzuwimmeln, den Hörer schnell wieder aufzulegen ganz ohne Gewissensbisse. Er kann aber auch in der Stimme seine langjährige Kollegin „Friederike“ erkennen, deren Lebensgeschichte ihm präsent ist. Sie haben gemeinsame Betriebsfeiern gehabt, zusammen in Projekten gearbeitet und sich auch privat mit Bekannten und Familienmitgliedern getroffen. Dann kann ihr Leid ihn erreichen und er wird emotional verstrickt in etwas, was nicht seins ist. Dann wird das „nicht-helfen-können“ zum Frust, gebiert Stress und vielleicht auch Hass und Ärger auf das „System“, alles mit dem Verlust des klaren Kopfes.
Meisten sind wir irgendwo zwischen diesen beiden Extremen und irgendwo dazwischen ist der Bereich, der für uns heilsam ist, es gibt Grenzen in beide Richtungen, die wir nicht überschreiten sollten. Wo liegen diese Grenzen? Wie bemerke ich ein überschreiten?
Diese Fragen sind nicht einfach und pauschal zu beantworten. Nicht im beruflichen Umfeld und auch nicht im privaten. Es gibt eine gewundene Lernkurve, leider erstreckt sie sich über Jahre, wenn nicht ein ganzes Leben und ist mitunter schmerzhaft. So ist es zumindest bei mir.
Ich glaube, dass eine Grenzsetzung nur durch Erfahrung erfolgen kann. „Zu nahe dran“ ist genauso abhängig von der Person oder dem Ereignis, wie von meiner Tagesform; oder „zu-weit-weg“ ist genauso abhängig von dem, was notwendig ist – z.B. eine Wiederbelebung – oder von meinen eigenen Kompetenzen. Es kommt auf eine geübte Wahrnehmung an, achtsam in den entscheidenden Momenten sich so zu positionieren, wie es der Situation und mir angemessen ist.
Am nächsten Achtsamkeitsabend wollen wir uns ein wenig mit der Polarisierung „Gelassenheit (der eine Pol) oder es ist mir völlig egal (der andere Pol)“ beschäftigen. Sie sind herzlich willkommen. Anmeldung bitte über den Link:

14.11.2019 Achtsamkeitsabend

Weitere Termine:
Es gibt noch freie Plätze im Odenwald Seminar
Drei Tage, Mo-Mi, intensives Achtsamkeit-basiertes Gestalt-therapeutisches Arbeiten an inneren Themen, die sich aus der Stress Belastung des Arbeitsumfeldes ergeben. Es werden auch die Einflüsse auf die Familie, Partnerschaft und Kinder und auf das allgemeine Lebensgefühl berücksichtigt.
18.11.-20.11.2019 Achtsamkeitsseminar im Odenwald
Danke für das Lesen. Bis bald!
Drehpunkt-Leben
Alfred Spill und Team